19. Mai – Oodi und die Sauna

Nach einem ausgiebigen Hotelzmorge zieht es uns raus. Der Himmel ist wolkenlos und die Temperatur könnte man als warm bezeichnen. Zumindest, wenn man in der Sonne steht. Wir planen einen ruhigen Tag in Helsinki. Zuerst folgt eine Shoppingtour in einer der zahlreichen Malls. Helsinki präsentiert sich in schönstem Wetter und wir geniessen diese etwas raue, aber was wir besonders hervorheben möchten, äusserst saubere Stadt. Nirgends liegt Müll herum und alles wirkt im Schuss und ist gepflegt.

Zum Mittagessen sind wir mit einer Freundin verabredet. Wir spüren gleich die Vorteile, wenn man mit einer Local unterwegs ist. Zum Essen geht es ins Restaurant Miljöö, wo es heute Elch mit Preiselbeeren und Kartoffelstock gibt.

Ganz in der Nähe liegt die Bibliothek Oodi, die Zentralbibliothek von Helsinki, zu der es uns weiterzieht. Das Bauwerk wurde 2018 eröffnet und strahlt schon von aussen viel Sympathie aus. Geschwungene Holzfassaden und viel Glas laden ein, das Gebäude näher kennenzulernen.

Aussenansicht der Bibliothek Oodi
Die einladende Architektur des Oodi von aussen.

Eingangsbereich der Bibliothek Oodi
Unter der geschwungenen Holzkonstruktion versammeln sich die Besucher*innen vor dem Eingang der Bibliothek.

Wir treten ein und staunen nicht schlecht. Wer sich eine Bibliothek vorstellt, in der sich Buch an Buch in endlosen Regalen reiht, der irrt hier im Oodi. Vielmehr ist es ein Haus über drei Stöcke, in dem Kreativität und das Zusammensein viel Platz bekommen. Im untersten Stock befindet sich ein Restaurant sowie Aufenthaltsbereiche und ein Schach-Spielraum. Der zweite Stock erstaunt noch mehr: Hier befinden sich Musikstudios, Kreativräume, Ateliers, Labors, Werkstätten, Sitzungs- und Musikübungszimmer. Sogar Gaming-Räume gibt es. Alles offen und zur freien Verfügung.

Blick ins FabLab der Bibliothek Oodi
Lasergravierte Objekte und Werkstattatmosphäre im FabLab der Bibliothek.

In den Gängen stehen Plotter, PCs und 3D-Drucker. Viele Menschen arbeiten, spielen, lernen und lesen im zentralen Aufenthaltsbereich. Und im dritten Stock befinden sich die Bücher, mit einem Café in der Mitte und einer Terrasse mit direktem Blick auf das Regierungsviertel. Wir sind verblüfft, wie viel Raum hier Bildung und Kultur bekommt und allen Menschen offen steht. Sehr finnisch.

Ebenfalls finnisch sind Saunas. Und in genau so eine Einrichtung zieht es uns gegen Abend. Wir suchen eine in unserer Nähe und fahren mit e-Trottis dahin. Dort, am Wasser gelegen, finden wir eine Sauna vor, die wohl authentischer nicht sein kann. Das Gebäude ist äusserst unscheinbar und nichts verrät von aussen, dass sich darin eine Sauna befindet.

Authentisches Saunagebäude am Wasser
Ein schlichtes, unscheinbares Gebäude direkt am Wasser – in seinem Innern verbirgt sich eine traditionelle finnische Sauna.

Hier bezahlt man in bar und muss alles selber mitnehmen, weshalb wir nochmals zurück zum Hotel und zu einem Bankomaten düsen müssen. Gespannt auf den Einblick in die echte finnische Saunakultur beobachten wir zuerst das Geschehen im und um das Haus herum. Also: Zuerst duscht man und stellt sich dann in eine «soziale Warteschlange» vor der Sauna. Immer so viele wie rauskommen dürfen rein, so einfach die Regel. Und wer am längsten wartet, ist an der Reihe. Die Sauna selbst hat keine Fenster und ist nur spärlich beleuchtet. Aromen, Klangschalen oder andere vermeintlich entspannende Installationen sucht man hier vergebens. Drinnen ist es düster und man rutscht auf einer langen nassen Bank nach, bis es nicht mehr geht und man am Ende des kleinen Raumes angelangt ist. Dort steht ein Kessel mit Wasser und einer Schöpfkelle.

Die Person zuhinterst im Raum muss jeweils wortlos die verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen, ca. alle zwei Minuten eine Schöpfkelle Wasser über den heissen Ofen zu kippen. Auch wir geraten bis dort nach hinten und sitzen plötzlich hilflos vor dem Kessel. Für einen kurzen Moment ist die Entspannung vorbei, der Schweiss bricht aus. Ob die Schweissperlen vom Ofen oder vom Stress kommen, bleibt unklar. Wir beginnen mit den Aufgüssen, etwas unsicher, ob wir die richtige Kadenz des Manövers erfasst haben. Nichts passiert und freundlich erklärt man uns, dass die Art und Weise, wie man einen solchen Aufguss macht, viel über die Persönlichkeit aussagt. Ein anderer Saunagänger erzählt, dass er von Saunas im Ausland gehört hat, in denen per Knopfdruck Aufgüsse ausgelöst werden können. «Ein riesen Blödsinn und eine Veräppelung der Saunakultur», meint er dazu. Im Anschluss kann man sich direkt im Meer vor dem Gebäude abkühlen, was auch wir tun. Nach zwei Saunagängen sitzen wir müde auf einer Parkbank und sind von diesem Erlebnis richtig fasziniert.

P. S.: Dass wir Züge mögen, ist kein Geheimnis. Viele wissen aber vielleicht nicht, dass François insbesondere auch von Zügen fasziniert ist, die verborgen unter Städten verkehren. Die Rede ist von U-Bahnen. Bereits, wenn ein «M» Zeichen in Sichtweite gerät, beginnen seine Augen zu leuchten. Auf der langen Rolltreppe folgt dann das Management Summary über die Vorteile von U-Bahnen: «Das ist quasi wie Beamen, kein System befördert so viele Menschen so schnell so weit in einer Stadt. Wenn man den Modalsplit solcher Städte betrachtet, dann…», schon sind wir unten an der Rolltreppe angekommen. Und dann geht es meist nur drei Minuten, bis ein Zug einfährt und das Gefährt der Begierde betreten werden kann.

Moderne U-Bahnstation mit rotem Zug
Die U-Bahn von Helsinki ist funktional aber hell und sauber.

Die Metro in Helsinki ist nicht besonders spektakulär, jedoch sehr sauber und hell. Was uns hier besonders auffällt, ist, dass die meisten U-Bahnstationen auch gleich als Schutzräume für die Bevölkerung dienen. Das ist auch in einigen anderen Städten der Fall, doch hier ist diese Zusatzfunktion besonders gut sichtbar: Ein Schutzraumzeichen verrät bereits auf der Strasse, wenn eine U-Bahnstation diese Funktion hat.

Massive Schutzraumtüren in der U-Bahnstation Kamppi
Grosse Panzertüren in der Metrostation Kamppi – die U-Bahn dient hier gleichzeitig als Schutzraum.

Unten in der Station angekommen, passiert man jeweils eine Stelle, an der riesige Panzertüren offen stehen, die im Ernstfall dann von unten oder von der Seite her geschlossen werden können. Imposante, vielleicht etwas gruselig wirkende Bauwerke, an denen täglich zahlreiche Menschen vorbeieilen, ohne ihre zweite wichtige Funktion zu kennen.

18. Mai – Kalter Wind und warme Klänge

Wir erwachen mitten auf dem Meer, irgendwo in der Ostsee kurz vor Helsinki. Die Nacht war kurz, aber erholsam. Mit dem Lift geht es runter in eines der Restaurants, wo wir unser Special Breakfast gebucht haben. Während wir erneut ein grosses Buffet mit allen erdenklichen Speisen geniessen dürfen, ziehen vor dem Fenster immer mehr Schären auf. Kurz darauf erreichen wir Helsinki. Wir verabschieden uns herzlich von Harry Hylje, während Mumin und My mit Abwesenheit glänzen. Durch die Gangway schreiten wir in Richtung des Terminals und betreten anschliessend finnischen Boden.

Silja Serenade im Hafen von Helsinki
Ankunft der Silja Serenade im Hafen von Helsinki – das schwimmende Shoppingcenter hat sein Ziel erreicht.

Die Stadt empfängt uns mit einer kalten Brise. Mit einem der vielen grünen Trams, die gekonnt um zahlreiche 90-Grad kurven flitzen, fahren wir in den Stadtteil Jätkäsaari / Busholmen. Hier ist alles zweisprachig angeschrieben, denn in Finnland lebt eine schwedische Minderheit, die sogenannten Finnlandschwed*innen. Sie sind zwar ethnisch Teil der finnischen Bevölkerung, unterscheiden sich jedoch in Muttersprache, Kultur und gewissen Traditionen. Es gibt sogar finnische und schwedische Schulen, in denen die andere Sprache jeweils zum Pflichtunterricht gehört. Vielleicht erfahren wir in den kommenden Tagen noch etwas mehr über das kulturelle Miteinander hier in Finnland. Festzuhalten ist, dass uns das Schwedisch sehr entgegenkommt, denn damit erhalten wir eine reelle Chance, unsere Zielhaltestelle mit dem Namen Välimerenkatu (schwed. Medelhavsgatan) nicht zu verpassen.

Wir beziehen das Zimmer und gehen gleich wieder auf die Gasse. Mit der U-Bahn fahren wir aus der Stadt hinaus, um einen Überblick zu gewinnen. Zurück im Zentrum steigen wir an einer U-Bahnstation aus, welche direkt in eine riesige Shoppingmall mündet. Wir staunen über die Grösse des Komplexes. Draussen auf der Strasse fällt uns dann auf, dass dies bei weitem nicht die einzige Mall ist. Gefühlt befindet sich hier an jeder zweiten Ecke ein Eingang zu einem Shoppingtempel oder einer Arkade und wir fragen uns, ob diese riesigen Einrichtungen auch wirklich alle rentieren, denn eine ist imposanter und grösser als die andere. Wahrscheinlich liegt dies an den kalten Temperaturen, denken wir, welche hier hier lange andauern und es die Menschen daher eher nach drinnen zieht. Sowieso wirkt Helsinki auf uns zu diesem Zeitpunkt eher kühl, so richtig greifbar ist die Stadt für uns noch nicht. In einem kleinen gemütlichen Kaffee wärmen wir uns auf und diskutieren die ersten Eindrücke dieser Stadt.

Wir entscheiden uns, das technische Museum von Helsinki zu besuchen. Dieses liegt etwas ausserhalb der Stadt und um es kurzzufassen, enttäuschte uns das Museum. Die Exponate wirken eher beliebig zusammengestellt, die Informationen dazu sind meist nur wenige Sätze und nach zirka einer Stunde haben wir auch bereits alles gesehen. Später finden wir heraus, dass das Museum gerade umgebaut wird und nur ein kleiner Teil der Ausstellung zugänglich ist. Wir haben für die reduzierte Ausstellung deshalb Verständnis. Das technische Highlight folgt dann doch noch: Auf einem Spazierweg kommt uns ein autonom fahrendes Fahrzeug auf sechs Räder entgegen. Der QR-Code auf dem niedlich wirkendem Gefährt verrät uns, dass es gerade Essen ausliefert. Um das herauszufinden, musste Johnny dem Ding allerdings schnell aber unauffällig folgen. Und wie ihr seht, es hat geklappt.

Begegnung mit einem Lieferroboter
Fangis, aber mit einem Roboter auf der Strasse.

Mit dem Ausflug entdeckten wir einige weitere Orte dieser Stadt mit nur 660’000 Einwohner*innen. In Finnland leben insgesamt übrigens nur 5.6 Millionen Menschen auf ganze 338’462 Quadratkilometer.

Schwedische Schärenlandschaft
Typische rote Holzhäuser auf kleinen Schäreninseln – ein klassisches Bild der Ostsee.

Am Abend besteigen wir die Fähre mit der Nummer 19, welche uns rüber auf die nahe gelegene Insel Sveaborg / Suomenlinna fährt. Sie ist übrigens im ÖV-Ticket der Zonen A und B inkludiert. Mit uns an Deck sind einige uniformierte Kadetten der finnischen Marine, und wir beginnen uns zu fragen, wie sich die aktuelle politische Situation insbesondere auf junge Menschen auswirkt. Lange diskutieren können wir aber nicht, denn die Insel kommt bereits in Sichtweite. Wir klettern auf die Bunkerhügel von Västersvartö, einer Nebeninsel, mit ihren alten verrosteten Kanonen die heute glücklicherweise ins Nichts zielen.

Nonnengans in der Wildnis
Eine Wildgans auf der Insel Suomenlinna / Sveaborg.

Überall schnattern Wildgänse im Gras, vom Wasser ertönen die eigenartigen Rufe der Eiderenten und Möwen ziehen in der untergehenden Sonne über unseren Köpfen ihre Kreise. Es riecht nach Meer und ein unerwartet warmer Wind umströmt die Insel.

Abendstimmung mit Silhouetten

Unser Blick schweift rüber ins Stadtzentrum von Helsinki und es bietet sich uns eine Aussicht, die ihresgleichen sucht. Mit der untergehenden Sonne taut auch unser erster Eindruck dieser Stadt auf. Wie schön sie doch liegt, hinter den kargen Schären in der finnischen Bucht, so weit im Osten von Europa.

Sonnenuntergang über Helsinki

P. S.: Während wir diese Zeilen schreiben, sitzen wir in der Lobby unseres Hotels. Wir haben uns ein ruhiges Plätzchen gesucht, an dem wir die intensiven Erlebnisse des heutigen Tages verarbeiten können. Denn hier gibt es verschiedene gemütliche Ecken mit Zeichnungspapier, Büchern und einigen Instrumenten. Eine italienische Reisegruppe hat ausgerechnet Letzteres entdeckt. Exakt zum Zeitpunkt, als wir unsere Laptops aufklappen, beginnt das Konzert. Diejenigen, welche keine Instrumente gefunden haben, bilden den Chor. Die Qualität befindet sich allerdings auf dem Niveau der Karaokebar des schwimmenden Shoppingcenters von gestern und es reiht sich Gassenschlager an Gassenschlager. Wir sehen uns an und müssen herzhaft lachen. Während sich draussen mit der Dunkelheit wieder empfindliches Kühl über die Stadt gelegt hat, erwärmen drinnen wenigstens die Klänge von Gianna Nanninis «Bello e impossibile» und weitere Hits aus dem südlichen Europa die Stube.

17. Mai - Harri Hylje und die Finnlandfähre

Wir erwachen im Nachtzug kurz vor Stockholm. Es ist ca. 05.30 Uhr und der Nachtzug erreicht Stockholm C pünktlich. Netterweise dürfen Fahrgäste nun bis um 07.00 Uhr liegen bleiben und müssen nicht gleich aussteigen. Wir nehmen dieses Angebot nicht in Anspruch, da es für uns gleich weitergeht.

Blick aus der U-Bahn auf Stockholm
Ein erster Blick auf Stockholm – historische Fassaden und spiegelndes Wasser.

Das erste Highlight des Tages wartet auf uns. Wir sind bei Freunden auf dem Södermalm zum Frühstück eingeladen. Nach einer kurzen Nacht im Zug bei Freunden zuhause einen gedeckten Tisch vorzufinden, ist wohl der beste Start in den Tag, den man sich wünschen kann.

Nach einem Abstecher in die Innenstadt geht es am frühen Nachmittag bereits in Richtung der Fähre. Fussläufig gut zu erreichen von der Metrostation Gärdet steuern wir auf die «Silja Serenade» zu. Wir stellen schnell fest, dass es sich in Tat und Wahrheit um ein schwimmendes Shoppingcenter handelt, welches den Tarnname «Fähre» trägt. Dieses Shoppingcenter wird uns also nach Helsinki bringen.

Ankunft der Fähre nach Helsinki
Blick auf die Silja Serenade am Hafen von Stockholm – bereit für die Überfahrt nach Helsinki.

Wir begrüssen «Harri Hylje», das Maskottchen der Reederei Silja Line, und stürzen uns in den Trubel.

Treffen mit Harri Hylje
Begrüssung durch Harri Hylje, das Maskottchen der Silja Line.

Eine erste Erkundungstour auf dem Schiff lässt uns bereits die Highlights dieses Vergnügungstempels erahnen: Während in der Kinderdisco Mumin mit seiner Begleiterin Kleine My tanzt, erkunden wir das Irish-Pub, Stakehouse und ein «Duty-Free Superstore», das Shoppingcenter im Shoppingcenter sozusagen. Das grösste Highlight ist aber zweifellos das Grande-Buffet, ein all-you-can-eat Restaurant mit über 200 Plätzen.

Tanz mit Mumin und Kleine My
Kinderdisco auf der Fähre – Mumin und Kleine My in Aktion.

Schiffspromenade auf der Fähre
Belebte Einkaufsstrasse an Bord – die Silja Serenade auf ihrem Weg nach Helsinki.

Bevor wir diese kulinarische Perle entdecken, steuern wir das Pub an und bestellen ein wohlverdientes Feierabendbier. Der gut gelaunte Barkeeper fragt uns mehrmals, ob wir nicht einen Schuss Jägermeister ins Bier möchten. Wir verneinen, während er verzweifelt ein drittes Mal versucht, uns die Vorzüge der gewöhnungsbedürftigen Kombination erneut zu schmackhaft zu machen. Hart und beständig bestehen wir auf die Variante ohne Schuss.

Wir besuchen noch kurz die Karaoke-Bar und treffen dort die potenziellen Stars von morgen. So unsere Erwartung. Die Qualität der Beiträge ist aber leider durchzogen. Mutmasslich konnten die Künstler*innen den Barkeeper nicht wie wir überstimmen und ein Fläschchen Jägermeister ist in ihr Bierglas gesunken. Um unser Gehör nicht nachhaltig zu schädigen, machen wir uns nach einigen Minuten auf den Weg zum «Grande Buffet». Wir realisieren schnell, dass der Grund für die Beliebtheit des Angebots nicht nur in der Auswahl der Speisen liegt, sondern wohl auch daran, dass alkoholische Getränke im Preis ebenfalls à-discrétion enthalten sind.

Soft-Ice Maschine im Grande Buffet
Nebst Alkohol gibt es im «Grande Buffet» auch Soft-Ice à-discrétion.

Die Qualität des Essens ist jedoch überraschend gut und vielseitig. Besonders muss an dieser Stelle die Soft-Ice Maschine erwähnt werden, die Johnnys Laune sehr zuträglich ist.

Sonnenuntergang über den Schären
Atemberaubender Sonnenuntergang über den Schären – ein Highlight der Überfahrt.

Um 21 Uhr brechen wir wohlgenährt in den obersten Stock des Schiffs auf, zum Public Viewing des Eurovision Song Contest. Die Szenerie und Stimmung sind einzigartig. Während der Kahn durch den Schärengarten um zahlreiche Inselchen zirkelt, erleben wir einen wunderschönen Sonnenuntergang und geniessen den ESC aus der Heimat. Immer wieder schweift unser Blick über die unglaubliche Kulisse, die diesen speziellen Abend umgibt. Bei den Auftritten der schwedischen und finnischen Delegationen kocht der Saal. Den Auftritt von Zoë Më an diesem Ort zu sehen, macht den Abend perfekt. Zwar hat Schweden den ESC nicht gewonnen, trotzdem bleibt der Abend wohl noch lange in Erinnerung.

Die Inseln werden zunehmend rauer und das offene Meer wird sichtbar. Gegen Osten ziehend verlassen wir Schweden und die rote Sonne taucht hinter den letzten Schären ins Meer. Morgen erwachen wir in Finnland.

P.S.: Wie dem Text zu entnehmen ist, wird an Bord des Schiffs hie und da ein Getränk mit Alkohol konsumiert. Selten sieht man Personen ohne ein Glas in der Hand und die eher slalomartigen Laufwege sind nicht immer dem Wellengang geschuldet. Da wir Sparfüchse sind (Getränke kosten hier auf dem Schiff überraschend viel), gehen wir kurz runter in die Kabine und leeren unsere Minibar. Entsetzt stellen wir fest, dass der Zeitpunkt äusserst ungünstig gewählt war - gleich tritt Finnland auf und wir möchten bei diesem Event unbedingt oben in der Menge sein. Mit den Dosen in der Hand stürzen wir aus der Kabine und rennen zahlreiche Treppen hinauf bis in die Bar. Als wir uns in die Menge stürzen möchten, pfeift uns harsch ein uniformierter Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts zurück und informiert uns mit böser Mine, dass er genau gesehen hat, wie wir Getränke nach oben geschmuggelt haben und auf seine Rufe nicht reagiert hätten. Die Party sei nun für uns vorbei und es gelte ab sofort Hausverbot hier oben. Mit einigen entschuldigenden und erklärenden Worten zur Situation gelang uns dann das Unmögliche: Unsere Erklärung, den Auftritt Finnlands nicht verpassen zu wollen, war wohl so herzerwärmend, dass wir ihn umstimmen konnten.

Feiernde Fans an Bord
Ausgelassene Stimmung mit finnischen Fans – das Schiff wird zur Partyzone.

16. Mai – Es geht los!

Jedes Mal, als wir uns im vergangenen Jahr trafen, war sie mit dabei. Sie hat uns angetrieben, uns inspiriert und uns Mut für verrückte Ideen gegeben. Sie brachte uns zum Lachen, aber auch zum Nachdenken. Hier am Bahnhof in Basel nehmen wir nun Abschied von ihr und sagen:

Tschüss, liebe Vorfreude - und hallo verrücktes Schwedenreisli 2025!

Schön, dass ihr das Schwedenreisli - Die Zweite hier auf unserer Website mitverfolgt, mit uns mitfiebert, euch mit uns freut, mit uns bangt, hofft oder ihr über uns lacht. Letzteres tun wir nämlich auch und werden unser Bestes geben, euch spannende, witzige, ernste und eben auch (selbst-) ironische Geschichten und Anekdoten unserer Reise zu erzählen. Euch allen ein herzliches “Välkommen”!

Das Schwedenreisli beginnt

Wir haben uns darauf eingestellt, von Eskapaden und Odysseen zu berichten, von Zugausfällen und Schienenersatzverkehr in Deutschland. Es klappt jedoch alles reibungslos. Somit starten wir ruhig und mit einem Kaffee aus dem Bordbistro unsere Reise. Nach arbeitsreichen Wochen spüren wir die erste Entspannung. Die Stimmung ist gelöst, wir tauschen uns kurz mit den Sitznachbarn aus, neben uns spielt ein älteres Ehepaar gemütlich Karten.

Nachdem wir uns zwei Podcasts zu Gemüte geführt haben (zu einschlägigen Themen wie Speisewagen und Diesellokomotiven), sind wir erstaunt, dass wir bereits die Süderelbe überquert haben. Wir sind in Hamburg und haben eine Stunde Zeit, Mittagessen zu gehen.

Freundliche Begegnung beim Yumi Restaurant
Yang vor seinem Restaurant Yumi in der Langen Reihe in Hamburg.

Gezielt geht es in die Lange Reihe ins Restaurant Yume, wo es gemäss Johnny die besten Ramen dieser Stadt gibt. Und er hat Recht. Das Essen ist sehr fein und die familiäre Stimmung macht das Ganze zu einem echten Geheimtipp. Kellner Yang wünscht uns eine gute Reise und fragt, wie lange wir in Hamburg sind. Als wir unsere Reisepläne erläutern, lacht er laut und wünscht uns alles Gute. Mittlerweile ist klassisches Hamburger Schietwetter aufgezogen, wir schultern unser Gepäck und laufen die wenigen Schritte zurück an den Hauptbahnhof.

Aussicht auf die Küste und Windräder
Blick auf den Støre Belt.

Im Eurocity geht es weiter nach Kopenhagen. Die Landschaft wird nordisch, auf den endlos grünen Wiesen weiden Kühe und am Horizont tauchen Windkraftwerke auf. Wir überqueren den Grossen Belt und erreichen pünktlich Kopenhagen. Nach einem kurzen Nachtessen überqueren wir die Öresundbrücke und erreichen Malmö, wo für uns die letzte Etappe dieses ersten Tages beginnt: Der Nachtzug von Malmö nach Stockholm.

Historischer Bahnhof Kopenhagen mit imposanter Stahlarchitektur
Der Bahnhof Kopenhagen kurz vor Abfahrt.

Müde steigen wir in die Betten unseres Dreierabteils und erfahren von der Zugbegleiterin, dass in Lund (ca. 10 Minuten später), noch ein Fahrgast in unser Abteil kommen wird. So dürfen wir bald darauf unseren Begleiter für die Nachtreise nach Stockholm begrüssen. Wir kommen ins Gespräch und erfahren, dass der junge Doktorand ebenfalls aus dem kontinentalen Europa stammt.

Schlafwagenabteil im Nachtzug
Unsere Bleibe für die erste Nacht.

Er fragt uns, ob wir zum ersten Mal mit dem Nachtzug fahren. Wir entgegnen stolz und freudig: «Nein», er antwortet: «Naja, ok. Das macht man halt, wenn es keine andere Lösung gibt.» Wir schauen uns kurz entsetzt an, fühlen uns das erste Mal in diesem Gespräch leicht beleidigt. Als einige Sätze später dann die Eisenbahn in Schweden ganz grundsätzlich ins Kreuzfeuer gerät, verstärkt sich dieses Gefühl. Unsere Lust auf weitere Diskussionen schwindet in Sekundenschnelle und wir schlagen vor, doch langsam schlafen zu gehen. Die Tatsache, dass wir drei Wochen lang in unseren Ferien die Eisenbahn in Skandinavien zelebrieren, ersparen wir ihm. Und die potenziell darauffolgende Diskussion, uns allen auch.

Bevor wir schlussendlich in den Schlaf fallen, verarbeiten wir den Vorfall via Chat zu zweit und versichern uns gegenseitig, dass es nicht nett ist, so über Züge in Skandinavien zu sprechen.

Interaktive Karte

Klicke auf die Karte für die Details zu den einzelnen Strecken.

Schwedenreisli